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Flugplatz Norden Norddeich – Die Inseln in Sichtweite

01.08.2018 | Norderland Magazin

Nirgends gibt es so viele Flugplätze auf so engem Raum wie in Ostfriesland. Einer davon ist in Norddeich. Vom Tower aus sind Juist und Norderney mit bloßem Auge zu sehen. Wer an Bord der Inselflieger geht, ist fix da und kann unterwegs Küste und Inseln von oben genießen.

Recht unscheinbar fügen sie sich in die ostfriesische Landschaft ein: eine Landebahn, ein flaches Gebäude und eine Handvoll kleiner Flieger. Flugplätze gibt es an der Küste und auf den Inseln viele. Ist der Luftweg übers Wasser doch der einfachste und schnellste – und wohl auch der schönste.

Ostfriesland Magazin-Bildredakteur Martin Strommann startet zu seinen Fotoflügen meistens von Norden-Norddeich oder Harle aus. In Sichtweite zu Watten­meer und Inseln gelegen sind sie ideale Ausgangspunkte, um Ostfrieslands Küsten­landschaft aus der Luft zu erleben und fotografisch festzuhalten. Das gilt natürlich auch für die Fluggäste, die einen Rundflug oder einen Linienflug
zu den Inseln gebucht haben. Beide Plätze werden von der Frisia-Luftverkehr GmbH Norddeich (FLN) betrieben, die zur Reederei Norden-Frisia gehört. Mit rund 120 000 Passagieren im Jahr sind die „Inselflieger“ eine wichtige Ergänzung zum Fährbetrieb, vor allem für die tideabhängigen Inseln Juist und Wangerooge.

In Norddeich auf dem „Sonderlandeplatz“, so die offizielle Bezeichnung, geht es beschaulich zu. Durch die kleine Abflug­­halle geht es in wenigen Schritten direkt zum Flieger. Wer hier startet und landet, ist dem Personal meist bekannt. Im Unterschied zu „Verkehrslandeplätzen“, können die Norddeicher Landeanfragen ablehnen. Hier ist auch so schon genug los, nicht nur im Sommer. „Wir haben das ganze Jahr Saison“, sagt Flugplatzleiter Klaus Noormann. „Die ersten Urlauber buchen über Neujahr, dann kommen die Karnevalsflüchtlinge, dann die Osterurlauber, dann die Feiertags-Kurzurlauber, dann die Sommergäste und im Herbst die Handwerker.“ Zu Pfingsten und Himmelfahrt starten die Maschinen im Zehn­minutentakt.

Im Tower sitzt Flugleiter Ingo Hellmann. Er arbeitet die Passagierlisten ab, gibt den Piloten das Wetter durch und koordiniert die Starts und Landungen. Die gestalten sich in Norddeich gar nicht so einfach. „Wir haben hier zehn Monate im Jahr Seitenwind“, sagt Noormann. Der Wind bläst an Ostfrieslands Küste nämlich meist aus westlichen Richtungen, Norddeich hat aber eine Nord-Süd-Bahn – die einzige in Ostfriesland. Das liegt an der nahegelegenen ehemaligen Küstenfunkstelle Norddeich Radio, die fast 100 Jahre lang Telegrammverkehr mit Schiffen in aller Welt durchführte, inzwischen den Betrieb jedoch ein­gestellt hat. Die hohen Sendemasten standen der Genehmigung einer Ost-West-Bahn, wie sie auf den Inseln oder anderswo üblich ist, im Weg. Die Piloten sind jedoch mit den besonderen Windverhältnissen vertraut. Die Inselflieger starten je nach Wind in Startbahnrichtung 34 oder 16, verlassen die Platzrunde, um dann Kurs auf die Inseln zu nehmen. Radar ist hier überflüssig. Sowohl Norderney als auch Juist kann man vom Tower aus mit bloßem Auge sehen. „Da hinten am Deich steht ein Rundbusch, in gleicher Höhe dahinter liegt der Flugplatz von Juist. Bei gutem Wetter erkennt man sogar die Starts und Landungen“, sagt Ingo Hellmann. Dazwischen liegen fünf Minuten Flugzeit.

Ersatz für den Fährverkehr

Die Fähre, die man von hier sehen kann, braucht eine knappe Stunde. Nach Norderney pendelt sie fast stündlich, nach Juist fährt sie manchmal nur einmal am Tag, je nach Tide. „Wenn die Schiffe nicht fahren können, sind wir da“, sagt Noormann. Also gehen die meisten Linienflüge nach Juist. Nur wenn der Wind zu stark bläst – bei der zweimotorigen Britten-Norman liegt die Grenze bei Windstärke sechs bis sieben – oder die Sicht zu schlecht ist – bei einer Wolken­untergrenze von weniger als 500 Fuß – bleiben die Inselflieger am Boden.
Das gilt auch für die beiden Helikopter, die seit einiger Zeit in Norddeich stationiert sind und für das Offshore-Unternehmen Dong zu den Windparks auf See fliegen. Gerade bereitet sich eine Service-Mannschaft vor der neuen Hubschrauber-Halle auf den Abflug vor. „Der Standort ist begehrt“, sagt Noormann. Schließlich sind es von Norddeich gerade mal zwei Flugminuten bis zur Nordsee und 25 Minuten zu den Windparks Godewind und Riffgrund. Doch der Flugplatz soll in erster Linie dem Inselverkehr dienen.
Das war auch die Idee der Gründer der Gesellschaft Flugplatz Norddeich GmbH im Jahr 1967. Ein Schwabe und ein Ostfriese, Friedrich Brenner aus Stuttgart und Walter Stegmann aus Norddeich, begannen nach der Genehmigung des Flugplatzes Norden-Norddeich mit zwei einmotorigen Cessnas F 172 auf einer 445 Meter langen und 40 Meter breiten Grasbahn. „Das war hier früher ganz schön abenteuerlich“, sagt Noormann, der seit 1984 am Flugplatz arbeitet. „Aus allem, was man finden konnte, wurden eine Halle und ein Tower gebaut.“ Immerhin gab es schon damals feste Abflugzeiten nach Juist und Norderney und Flüge zu allen anderen ostfriesischen Inseln sowie Charterflüge. Der Ingenieur Brenner zog sich bald zurück, Stegmann jedoch schaffte für die inzwischen gegründete FLN Frisia-Luftverkehr GmbH Norddeich weitere viersitzige Cessnas an und 1975 die erste eigene Britten-Norman Islander mit zehn Sitzen. Die Landebahn wurde asphaltiert. Heute gehören zur Flotte fünf Cessnas und neun Britten-Norman Islander. Bis 2011 wurden die Flugzeuge noch am Emder Flugplatz durch die OLT gewartet, heute befindet sich der eigene Instandhaltungsbetrieb am Flugplatz Harle, den die FLN im Jahr 2011 von dem privaten Betreiber und Piloten Jan-Lüppen Brunzema übernommen hat. 60 Mitarbeiter sind an beiden Flugplätzen beschäftigt.

Seit 25 Jahren in Norddeich Pilot

Die Start- und Landebahn in Norddeich ist mittlerweile 720 Meter lang und 20 Meter breit. Keiner kennt sie so gut wie Uwe Thies. 126 000 Landungen zählt der gebürtige Dresdener, der seit 25 Jahren in Norddeich Pilot ist und sich jeden Flug notiert – auch die vielen Fotorundflüge, die er mit Martin Stromann unternommen hat. Ebenso rekord­verdächtig wie die Zahl seiner Starts und Landungen sind seine kurzen Inselbesuche: „Ich war schon 70 000-mal auf Juist“, sagt er ohne Übertreibung und setzt nach „aber den Ort selbst kenne ich gar nicht.“
Mit einer großen Ruhe und Selbstverständ­lichkeit steigt er in die Luft – mittlerweile allerdings nur noch ohne eigene Passagiere. Zu gerne würde der 64-Jährige weiterhin Gäste zu den Inseln bringen. Doch eine gesetzliche Regelung verbietet Piloten über 60 Jahren, ohne Co-Pilot zu fliegen. So bleibt Thies nur das Schreiben der Einsatzpläne und die Schulung der neuen Piloten. Denn nicht jeder, der die Flugschule erfolgreich abgeschlossen hat, kann sofort im ostfriesischen Insel­flugverkehr eingesetzt werden. „Hier ist das noch richtige Fliegerei. Man ist auf sich selbst gestellt, muss navigieren, Wind und Wetter einschätzen, das sich hier sehr schnell ändern kann“, erklärt Thies. Auch das Kraftstoffgemisch muss der Pilot selbst einstellen.

Thies mag die kleinen Maschinen. „Damit hat man noch das richtige Fluggefühl, das andere ist Busfahren.“ Das wissen auch die Fluggäste. „Die meisten steigen mit gemischten Gefühlen ein, aber wenn sie erst oben sind, sind sie begeistert“, berichtet Thies, der erst dreimal erlebt hat, dass jemand wirklich nicht mitgeflogen ist. Die Familie, die gerade in den Inselflieger steigt, sieht ganz und gar nicht ängstlich aus. Pilot Thies Kolster wird sie nach Juist fliegen. Der 36-Jährige aus St. Peter-Ording hat früher bei der Bundeswehr Hubschrauber geflogen und Flugzeugbau stu­diert. Jetzt lernt er an der Seite von Uwe Thies die ostfriesischen Flugbedingungen zu beherrschen. „Inselfliegerei ist immer mit Wind verbunden. Das ist schon eine Herausforderung“, sagt Kolster. Und: Nirgendwo sonst muss ein Pilot so oft starten und landen. Langeweile kommt da nicht auf: „Jeder Flug ist anders.“

Auch die Rundflüge machen dem Piloten Spaß. „Da kann man ein bisschen was erzählen.“ Er schwärmt von den Naturschauspielen aus der Luft: „Wenn die Sonnenstrahlen unter der Wolkendecke zum Vorschein kommen oder sich der Himmel auf dem Wattenmeer spiegelt.“ Und wenn der begeisterte Kitesurfer die Sandbänke vor Baltrum sieht, würde er am liebsten sofort dort landen.

Die Route für die meist 15-minütigen Rundflüge kann der Gast selbst bestimmen. In welchem Umkreis sich diese bewegen können, ist auf einer Karte eingezeichnet. „Meistens fliegen wir zwischen Küste und Inseln“, sagt Flugplatzleiter Noormann. Entscheidend ist natürlich das Wetter. „Am besten ist die Sicht am Tag nach einem Sturm“, empfiehlt Uwe Thies. „Und bei Ebbe sieht man die Priele gut.“