Sehenswertes, Gesundheit, Termine

„Thalassa“ ist nie weit!

01.05.2018 | Norderland Magazin

Die See birgt Kostbarkeiten, die schon Kleopatra schätzte. Und auch die Griechen und Römer wussten die Heilkräfte des Meeres zu nutzen. Heute schreiben sich Touristiker „Thalasso“ auf die Fahnen – und besinnen sich gleichwohl auf alte Werte. Neu sind dagegen zwei hölzerne Plateaus in den Dünen Norderneys. Hier, inmitten von Wind und Natur, soll der Mensch die Elemente spüren.

Makrele und Shrimpie. Gravierte Schrift auf grünem Grund. Der Anblick entlockt ein Lächeln – auch jenen, die schon viele Liebesschlösser an vielen Orten dieser Welt gesehen haben. Zwischen all den Jürgens und Erikas, den Mandys und Michaels, den Hasis und Bärchen stechen diese zwei heraus. Weil sie so gut hierher passen, an das Gitter oberhalb der Strandpromenade. Und nach Norderney. Wer auf die Insel kommt, lebt mit dem Meer. Manche ein Leben lang, andere ein paar Wochen im Jahr. Jene unter den Insulanern, deren Vorfahren vom Fischfang lebten, sehen das eher pragmatisch. Das Meer gibt und das Meer nimmt. Andere dagegen inspiriert die Nähe zur See, kreative Kosenamen füreinander zu finden – in der Hoffnung, dass weder „Makrele“ noch „Shrimpie“ einem emsigen Fischer ins Netz geht. Was das mit Thalasso zu tun hat? Eigentlich die falsche Frage. Eher müsste sie lauten: Was auf Norderney hat nichts damit zu tun? Abgeleitet vom altgriechischen Wort für Meer ,Thalassa‘ bedeutet es soviel wie Gesundheit und Schönheit aus dem Meer – und ist hier allgegenwärtig. Die Angebotslisten einschlägiger Wellness-Einrichtungen verheißen Wohlsein dank Algentees und Schlickmasken und lassen gleichsam vermuten, dass es sich dabei um eine Art Modeerscheinung handelt. Doch im Gegenteil – das Wissen um die Heilkraft aus dem Meer ist althergebracht. Schon Hippokrates, der berühmteste Arzt des Altertums, nutzte Seeluft und Salzwasser, um Rheuma und Ischiasleiden zu behandeln: „Wer die Schätze des Meeres erschließt und zu nutzen weiß, dem liefert es Nahrung und Wohlbefinden. Alles Leben stammt aus dem Meer, und wer sich dem Meer öffnet, findet Anregung und Entspannung.“ Auch auf Norderney haben die traditionellen Naturheilverfahren, bei denen unter anderem Meerwasser, Schlick und Algen zum Einsatz kommen, eine über 200-jährige Geschichte. Ein Pfund, mit dem es zu wuchern gilt. Und hier, auf dem zweitgrößten der ostfriesischen Eilande, weiß man es zu vermarkten wie an kaum einem anderen Ort.

Salz in Luft und Lungen

„Wir haben uns das Ziel gesetzt, bis 2020 die größte und bekannteste Thalasso-Insel in Europa zu werden“, heißt es vonseiten der Staatsbad Norderney GmbH. 2014 ist Norderney vom Europäischen Prüfinstitut Wellness & SPA offiziell zum „Thalasso-Nordseeheilbad“ erklärt worden. Auch andere Inseln und Küstenorte an der Nordsee tragen diesen Titel – doch die Norderneyer wollen noch ein kleines bisschen mehr vom Geschäft mit dem Meer. „Thalasso hat ein Zuhause“ lautet die vollmundige Überschrift auf der Internetseite des Staatsbades. „Alleinstellungsmerkmale sollten sich auf traditionelle Werte beziehen, alles andere ist nicht authentisch“, sagen die Marketingleute vom Staatsbad Norderney. „Es ist nunmal die Nähe zur See, die uns von anderen unterscheidet, die möchten wir hervorheben und sie für den Gast wahrnehmbar machen.“

Und aus diesem Grund gibt es inmitten der Dünenlandschaft drei neugestaltete hölzerne Plateaus: die sogenannten Thalasso-Plattformen. Norderney befindet sich mitten im Weltnaturerbe Wattenmeer. Um diese Naturlandschaft zu schützen, müssen gewisse Regeln eingehalten werden, man darf zum Beispiel nicht einfach so durch die Dünen spazieren. Mit den Plattformen soll der Naturraum ein Stück weit zugänglich, erlebbar werden. Hier soll der Mensch die Elemente spüren. Denn die Inselgäste sind schließlich nicht nur zum Vergnügen hier – gesund und schön werden wollen sie auch! Und Thalasso meint nicht allein Schlickpackungen und Sandpeelings – das Stichwort lautet „Aerosole“. Der Wind an der Küste zerkleinert das Meerwasser in kleinste Tröpfchen, wodurch Salz, Jod, Magnesium und Spurenelemente in die Luft gelangen. Diese gelösten Stoffe nennt man (Brandungs-) Aerosole. Besonders für Menschen mit Atemwegserkrankungen wie Asthma oder Hautleiden ist das Reizklima an der Küste gesund, denn die Aerosole wirken schleimlösend auf die Atemwege, lösen Hautschuppen und glätten die Haut.

Die gute Seeluft ist es also, die die Menschen heute wie damals auf die Insel zieht. Und auf die Plateaus in den Dünen. Aus der Ferne wirken die Aussichtspunkte wie abstrakte Landmarken – und längst nicht jeder Insulaner war anfangs überzeugt von Sinn und Nutzen der aufwändigen Bauten.

Thalasso hat eine Plattform

Besonders die 2013 modernisierte Plattform am Strandübergang Waldweg in der Nordhelmsiedlung hatte die Gemüter erhitzt. Ob ihrer Form wurde die neue Konstruktion „Thalasso-Galgen“ getauft, die Lokalpresse empfahl den Verantwortlichen gar eine Therapie mit „kaltem Meerwasser“. Hauptkritikpunkt: Die Kosten von rund 100 000 Euro. Zwar wurde das holzverkleidete Stahlgestell zu 40 Prozent aus Fördermitteln finanziert, der Rest schlug aber im Haushalt der Stadt Norderney zu Buche. Kurdirektor Wilhelm Loth hielt trotz anhaltender Diskussion am Projekt fest und argumentierte, das Geld für die Plattform sei gut angelegt – vor allem im Hinblick darauf, dass man Informationen rund um die Bereiche Thalasso und Klimatherapie vorantreiben wolle. Anderen Norderneyern missfiel die Optik: Anstatt Gästen den unverstellten Blick auf das Meer zu lassen, setze man architektonisch gewöhnungsbedürftige Objekte in die Landschaft. „Wo etwas Neues entsteht, da sind auch Kritiker.“ Beim Staatsbad Norderney sieht man das ganz gelassen. Auch weil sich die Insulaner indessen beruhigt haben: „Alle Plattformen sind gut besucht und bei Urlaubern und Einheimischen gleichermaßen beliebt.“ Im Sommer 2015 war dann auch die Neugestaltung der Aussichtsdünen am Zuckerpad und am Dünensender vollendet. Erneut hatte sich die Kurverwaltung mit kritischen Kommentaren aus der Bevölkerung und Auflagen der Naturschutz- und Aufsichtsbehörden auseinandersetzen müssen. Auch der Landkreis und der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) waren involviert. 580 000 Euro haben beide Plattformen gekostet, 50 Prozent kamen aus EU-Fördertöpfen.