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„Sport mit Suchtgefahr“

01.08.2016 | 2016-03, Norderland Magazin

„Sport mit Suchtgefahr“

Michael Vogel ist passionierter Wassersportler und hat mit der Surfschule Norddeich sein Hobby zum Beruf gemacht. Bei der Trendsportart „Kiten“ gibt der 41-Jährige maßgeblich die Richtung an.

Steht die Sonne hoch am Himmel und der Wind weht steif in Richtung Küste mit 10 bis 35 Knoten, gibt es nicht viel, was Michael Vogel glücklicher macht, als mit seinem Kite – einem Lenkdrachen mit einem speziellen Surfbrett – über das Wasser zu gleiten. Kein Wunder! Schließlich ist er mit seiner Surfschule in Norddeich international führend, was den noch ziemlich jungen Trendsport angeht. Doch leider wissen viele Einheimische nichts von dem vielfältigen Lehrangebot und scheuen bis heute den Gang zur Surfschule. Vorurteile und Ängste sorgen für große Hemmschwellen. Grundlos, wie die beiden Surfer und Ausbilder Michael Vogel und Maria Reisigl wissen.

Die beiden Trainer wollen das Konzept einer „Familienschule“ lehren. In der Norddeicher Ein­richtung arbeiten junge engagierte Menschen, die die Faszination für den Wassersport teilen. „Viele unserer Mitarbeiter kennen wir, seitdem sie Kursteilnehmer waren“, betont der Schul­leiter. Das schweißt zusammen. Aus Gästen werden dann irgendwann Mitarbeiter oder Freunde. „Mit der Zeit übertragen wir den jungen Angestellten immer mehr Verantwortung“, ergänzt Maria Reisigl. Das Konzept geht auf: Mitarbeiter und Gäste beweisen bis heute ihre Treue und kommen zum Saisonstart wieder. „Interessierte Schüler können nach dem Abschluss bei uns arbeiten und die Zeit nutzen, um sich selbst zu finden“, erklärt der 41-Jährige. Dafür ist das Arbeiten in Norddeich ideal: Durch den großen Besucher­ansturm in der Saison lernen sie beinah täglich neue Leute und Einflüsse kennen. „Die Jugendlichen wachsen mit ihren Tätigkeiten“, weiß die 35-Jährige.

„Surfen ist ein Sport mit Suchtgefahr. Erreicht man die erste Gleitfahrt, möchte man immer wieder auf das Brett“, so der ambitionierte Sportler. Bestimmte Voraussetzungen, die man für diesen Sport erfüllen muss, gibt es nicht. „Wichtig ist, dass sich die Teilnehmer gern an der frischen Luft bewegen und Freude an der Interaktion mit anderen haben“, erklärt Reisigl. Starten können Kinder ab fünf Jahren. Für die Jungen und Mädchen wäre es von Vorteil, wenn sie das Schwimmabzeichen „Seepferdchen“ besitzen. Doch auch hier gibt es Ausnahmen: „Ob ein Kind oder Schüler ins Wasser kann, entscheiden wir vor Ort je nach Windbedingungen“, betont Maria Reisigl. Viele Faktoren spielen dafür eine Rolle. Aber nicht nur junge Gäste sind in der Surfschule in Norddeich willkommen. Der älteste Kiteschüler ist 78 Jahre alt und steigt immer wieder begeistert auf das Brett.

Durch maßgebende Innovationen, die den Trendsport Kiten bis heute definieren und voranbringen, konnte sich die Surfschule Norddeich national und international einen Namen machen. Zahlreiche Lehrbücher, Reportagen in Wassersport-Magazinen aus der Feder von Michael Vogel und Lehrfilme geben die Richtung für alle Neueinsteiger an. Schulungen und Weiterbildungen komplementieren das Angebot: „Wir achten darauf, dass unsere Trainer immer auf dem neuesten Wissensstand sind“, betont Vogel. Alles, um die Sicherheit im Wasser zu erhöhen.
Doch leider nutzen viele Einheimische diese einzigartige Chance nicht: „Wir haben lediglich zwei Trainer aus der unmittelbaren Umgebung und nur wenige Schüler, die tatsächlich aus Ostfriesland kommen“, bedauert Michael Vogel. Viele Einheimische wissen nicht, dass sie mit der Nordseeküste eines der besten Reviere der Welt vor sich haben. Ein Großteil seiner Kunden sind Urlauber, die zum Teil jährlich wiederkommen.

Schuld an der geringen Beteiligung der Ostfriesen sieht der Leiter der Surfschule in der Unwissenheit bezüglich der neuen Sportart und vermutet Berührungsängste. „Kiten wird als Extremsportart eingestuft und vielerorts mit einer hohen Verletzungsgefahr in Verbindung gebracht. Das stimmt aber nicht. Beachtet man die Regeln, ist dieser Sport genauso gefährlich wie jede andere Freizeitbeschäftigung“, erklärt er. In Österreich ist die Auswahl an Extremsportarten größer und Kinder werden früh ans Skifahren oder Snowboarden herangeführt. „Dort sind die Hemmschwellen niedriger“, betont er. Selber stand Michael Vogel im Alter von 15 Jahren das erste Mal auf einem Surfbrett. Angefangen ist der passionierte Sportler mit dem Windsurfen. Nach einigen beruflichen Umwegen im In- und Ausland entschloss er sich in den 1990er-Jahren, seinen Trainerschein auf der Insel Norderney zu machen. An der Küste ist er dann hängengeblieben und hat kurzerhand sein Hobby zum Beruf gemacht.

In der Vergangenheit war die Surfschule ein reiner Saisonbetrieb. In diesem Jahr möchte Michael Vogel zusammen mit Maria Reisigl auf ein ganzjähriges Angebot umstellen. Im Winter sollen dann vor allem Kurse im Landboarden angeboten werden. Für die Zukunft wünscht er sich weiterhin eine gute Zusammenarbeit mit dem NLWKN und eine Menge sportbegeisterter Gäste: „Ein Ritterschlag für mich wäre es, wenn mehr Ostfriesen zu unseren Gästen zählen würden“, sagt Michael Vogel lächelnd.